Stückdetails
Bild zum Stück
Foto: Jeanette Bak

Gauthier Dance

Swan Lakes
Choreografien von Marie Chouinard, Hofesh Shechter, Cayetano Soto und Marco Goecke
Schwanensee! Wenn der Name dieses ultimativen klassischen Balletts fällt, kommen die Bilder und Assoziationen wie von alleine: ein See im Mondlicht, der Tanz der vier kleinen Schwäne, Prinz Siegfried zwischen Odette und Odile, der teuflische Zauberer Rotbart. Unzählig sind die traditionellen Interpretationen, modernen Aneignungen und Parodien, auf der Bühne ebenso wie auf der Kino-Leinwand. Ist Schwanensee also auserzählt? Mit Sicherheit nicht – jedenfalls dann nicht, wenn man ein völlig neues Format für den Stoff findet ...
Eric Gauthier hat vier Star-Choreografen gebeten, ihre Version von Schwanensee für die Theaterhaus-Company zu kreieren. Zusammen ergeben sie kein abendfüllendes Stück, sondern Swan Lakes im Plural. Ein Programm mit vier freien, jeweils gut 20-minütigen Schwanensee-Adaptionen, die stilistisch so unterschiedlich sein werden wie die Choreografen selbst. Vor allem aber ein Abend, der Publikum wie Künstlern die Chance eröffnet, an etwas Bekanntem anzuknüpfen – und etwas völlig Neues zu entdecken.

Keine der zeitgenössischen Choreografinnen hat sich wohl mit solcher Radikalität der Avantgarde verschrieben wie Marie Chouinard. Nach fulminanten Jahren als Solo-Performerin und Choreographin folgte 1990 die Gründung ihrer Compagnie Marie Chouinard. In bislang mehr als 50 Stücken feierte sie den Tanz als heilige, als spirituelle Kunst, immer auf der Suche nach dem, was sie "das Mysterium" nennt – die unsichtbare, ursprüngliche Lebensenergie in unseren Körpern. Meisterwerke wie "Les 24 Préludes de Chopin", der skandalträchtige, ausschließlich mit Frauen besetzte "Après-midi d’un Faune" oder "bODY_rEMIX / les_vARIATIONS_gOLDBERG, Act 1" finden sich im Repertoire der weltweit bedeutendsten Kompanien – und bald auch bei Gauthier Dance. Die neue Kreation markiert einen weiteren Schritt in einer für beide Seiten beglückenden Zusammenarbeit. Beim ersten COLOURS-Festival 2015 brachte die Compagnie Marie Chouinard mit Soft virtuosity, still humid, on the edge eine umjubelte Weltpremiere heraus. Chouinard war begeistert von der Herzlichkeit ihrer Gastgeber und dem Publikum in Stuttgart und blieb seitdem in engem Kontakt mit ihrem kanadischen Landsmann Eric Gauthier. Die Freude im Theaterhaus ist groß darüber, dass Chouinard nun erstmals direkt mit den Tänzerinnen und Tänzern von Gauthier Dance arbeiten wird.

Auch die Verbindung zu Hofesh Shechter verdankt sich dem COLOURS-Festival. Sein Kultstück Uprising war Teil des Gauthier Dance-Programms MEGA ISRAEL, der Eröffnungsproduktion der zweiten Ausgabe 2017. Shechter gilt als der derzeit aufregendste zeitgenössische Choreograf. In nur wenigen Jahren hat der ehemalige Batsheva-Tänzer, ausgebildete Schlagzeuger und Komponist eine Karriere hingelegt, die man nicht anders als schwindelerregend nennen kann. Seine dunklen, rohen, rhythmisch pulsierenden Tanzwelten bersten geradezu vor Originalität und politischer Relevanz. Grand Finale, das neueste abendfüllende Stück in Shechters Kanon, war als Beste Neue Tanzproduktion für einen Olivier Award nominiert und wurde von der Zeitschrift tanz als Produktion des Jahres ausgezeichnet. Für seine Verdienste um den Tanz wurde Shechter 2018 mit der Ernennung zum Officer of the Most Excellent Order of the British Empire (OBE) geehrt. Der erste Tanzfilm der Company, Hofesh Shechter’s Clowns, wurde bei seiner Ausstrahlung in der BBC im September 2018 begeistert aufgenommen.

Cayetano Soto, der Dritte im Bunde, zählt zu den guten alten Bekannten von Gauthier Dance. Schwer zu sagen, wer seine verrückten Choreografien mehr liebt – die Tänzer oder die Zuschauer im Theaterhaus. Denn mit CONRAZONCORAZON und vor allem Malasangre zeichnete er für zwei der größten Renner im Repertoire der Company verantwortlich. Beide maximal dynamisch, getanzt zu hinreißender Latin-Musik und in schrägen, von ihm selbst entworfenen Kostümen. Die ausgefallenen Ideen und die exzentrische, aber überaus sensible Sicht auf die Welt zählen zu Sotos Markenzeichen. Denn dem spanischen Choreografen haben es vor allem die Suchenden angetan – Menschen und Künstler, die nicht ins Konzept passen. So wie die kubanische Soul-Legende La Lupe, der Malasangre gewidmet ist, Marilyn Monroe und Truman Capote aus M/C und die große Unangepasste, Carmen – allesamt Persönlichkeiten, die ihn zu hochgelobten Arbeiten inspirierten. Auch für "seinen" Swan Lake zeichnet sich Spannendes ab – und es ist bereits in Arbeit. Denn Soto hat bei dem furchtlosen jungen Komponisten Peter Gregson (Recomposed by Peter Gregson: Bach – Cello Suites) eine Originalmusik für seine Choreografie in Auftrag gegeben. Zusammen dürften sie definitiv dafür sorgen, dass diese Schwäne aus der Reihe tanzen ...

Komplettiert wird das Choreografen-Quartett von Marco Goecke. Ab Januar 2019 Artist-in-Residence von Gauthier Dance, ist er der Company am engsten verbunden. Eine Vertrautheit, die mit den Jahren gewachsen ist und sich in immer persönlicheren Kreationen für Gauthier Dance niederschlägt. Der bisherige Höhepunkt der Zusammenarbeit: Mit NIJINSKI verbeugte sich Goecke vor dem Jahrhunderttänzer Waslaw Nijinski, zeigte dessen zerrissenes, tief verwundetes Leben im Rampenlicht. Das Stück wurde zum Triumph und gilt als künstlerischer Meilenstein, für Goecke ebenso wie für den Hauptdarsteller Rosario Guerra und die Theaterhaus-Company. Auch Swan Lakes dürfte die Fantasie des berühmten Choreografen beflügeln. Schließlich ist der Stoff wie gemacht für Goeckes dunklen Kosmos und dessen rasende, zitternde Ästhetik. Die Chancen stehen gut, dass ihm auch mit seinem Beitrag für Swan Lakes das scheinbar Unmögliche gelingt: in der tiefsten Verzweiflung die Schönheit zu entdecken.
Stadttheater Fürth, Großes Haus Königstraße 116 Fürth 90762

Gastspiel Gauthier Dance, Stuttgart

  • 23.07.2021
    19:30
    Stadttheater Fürth, Großes Haus
    bis ca. 21:15 Freier Verkauf Preise:
    € 50,-/46,-/38,-/28,-/11,-
    8-Euro-Ticket für Schüler*innen, Studierende, Azubis, BUFDis, FWDL